Die Globalisierung ist tot, es lebe die Globalisierung!

– eine europäische Sichtweise.

Die Globalisierung ist in Schwierigkeiten und einige sagen voraus, dass die Welt jetzt in eine Phase der rasanten Entwicklung der De-Globalisierung eintritt. Mehrere Beobachtungen stützen diese Ansicht.

Der Welthandel beispielsweise hat sich bereits vor der COVID-19-Krise verlangsamt. Seit der globalen Finanzkrise (GFC) 2008/09 konnte der Warenhandel nicht zu seinem früheren Wachstumstrend zurückkehren. Die USA und China haben ihre Zollsätze erhöht, um die Importe zu reduzieren. Lieferketten haben stagniert und das Investitionswachstum (das einen Großteil der Lieferkettenaktivitäten antreibt) hat verloren. Die Welthandelsorganisation (WTO) prognostiziert aufgrund der COVID-19-Krise einen Rückgang des Warenhandels um 13-32 Prozent (WTO, 2020a).

Früher war ein einfacher Indikator zur Messung der Globalisierung das Wachstum des Warenhandels im Vergleich zum Wachstum der inländischen Produktion. Einfach ausgedrückt, produzierten und exportierten Länder diejenigen Güter, bei denen sie weltweit wettbewerbsfähig waren, und öffneten ihre Grenzen, um den Rest zu importieren, den sie brauchten. Dies führte zu einem starken Wachstum des Warenhandels, wodurch die Handelsquote über Jahrzehnte anstieg. /1/

Globalisation for Total Manufacturing Industries

Bild 1: Globalisierungsindikator Fertigungsindustrien

Dieser Teil der Globalisierung ist vor allem deshalb rückläufig, weil die Integration Chinas in die Weltwirtschaft ausgereift ist und die Integration Osteuropas in die Wirtschaft der Europäischen Union (EU) nicht wie im bisherigen Tempo wächst. Viele Länder sind bei der weiteren Liberalisierung der internationalen Märkte zögerlich geworden, was das Handelswachstum belastet hat (Bild 1).

Globalisierung fur Total Information Industries

Bild 2: Globalisierungsindikator Informationsindustrie

Während die Globalisierung der produzierenden Industrie insgesamt zurückgegangen ist, entstand eine neue Art des internationalen Austauschs. Diese neue Seite der Globalisierung, nennt die OECD „Informationsindustrien“. Informationsindustrie ist der Wirtschaftszweig, der sich mit der Aufbereitung und Verbreitung von Information beschäftigt. /3/ Charakteristisch an diesen Industrien ist, dass sie hochgradig digital, größtenteils immateriell und deren Leistungen nicht speicherbar sind. Bild 2 zeigt den Globalisierungsindikator im Verhältnis zu den gesamten Informationsindustrien.

Globalisierung generell umfasst mehr als physische Güter und Rohstoffe. Jetzt startet eine neue und andere Art der Globalisierung

Laut OECD gehören zur Informationsindustrie Hersteller von Informations- und Kommunikationstechnik-Ausrüstung, Anbieter von ITK-Diensten und der „Inhalts- und Mediensektor“. Man kann sie als „Computer, elektronische und optische Produkte“, „Verlags-, audiovisuelle und Rundfunktätigkeiten“, „Telekommunikation“ und „IT- und andere Informationsdienste“ beschreiben.

Bild 3 zeigt den Anteil (in %) der Beschäftigten in der Informationsindustrie ausgewählter europäischen Länder an der Gesamtbeschäftigung. /2/ Dieser Indikator zeigt die Bedeutung der Informationsindustrie für die Wirtschaft im Hinblick auf die Beschäftigung.

Bild 3: Anteil (in %) der Beschäftigten in der Informationsindustrie

Die neue Globalisierung ist jedoch keine Geschichte von Waren versus Dienstleistungen

Neu globalisierte Aktivitäten sind oft hochgradig digital und entstanden in den ersten Jahren mit Hilfe von IKT-Technologien. Diese neuen Geschäfte sind meist immateriell. Ihre Produkte sind schwer zu lagern, was eine kontinuierliche Produktion erfordert, die häufig auf grenzüberschreitenden Kooperationen basiert.

Einige Serviceaktivitäten wie Forschung und Entwicklung, Management, Verkauf von Ideen, die in IP Rechten verankert sind und Information Business bilden zusammen eine Gruppe von internationalem Handel, der sich von den traditionellen Dienstleistungen und noch viel mehr von den traditionellen Waren unterscheidet.

Obwohl der Handel in diesen Bereichen immer noch im Vergleich zum traditionellen Warenhandel gering ist, haben diese neuen Globalisierungsaktivitäten (moderne Dienstleitungen) insbesondere nach der globalen Finanzkrise von 2008-09 ein starkes Wachstum erfahren (Bild 4).

Bild 4: Starkes Wachstum in der Informationsindustrie nach der Finanzkrise.

Gewinner dieser neuen Globalisierungswelle

Natürlich profitieren einige Länder mehr als andere von diesen neuen Entwicklungen. Es ist schwer Gewinner und Verlierer vorherzusagen. Viel hängt davon ab, ob die Voraussetzungen eines Landes den Anforderungen für diesen neuen immateriellen Handel entsprechen.

Angesichts der Tatsache, dass die modernen Dienstleistungen nach der letzten Krise im Jahr 2008 an Fahrt gewonnen haben, können schlüssige Antworten aus diesem historischen Handelsereignis für die Vorhersage zukünftiger Entwicklungen gezogen werden.

• Nicht nur die entwickelten OECD-Länder haben von der vorangegangenen Handelswelle bei modernen Dienstleistungen profitiert. Sie profitierten zwar, aber der relative Anstieg für die Länder wie Costa Rica, Rumänien, Bulgarien, Argentinien und teilweise auch Südafrika war höher.
Interessanterweise kommen einem die genannten Länder nicht in den Sinn, wenn man über fortschrittliche Internettechnologien nachdenkt. Diese Länder werden auch nicht der Standort für neue Datendrehscheiben sein. Sie verfügen jedoch über eine anständige digitale Infrastruktur, und in Kombination mit ihren niedrigen Arbeitskosten fanden es Unternehmen attraktiv, Teile der digitalen Lieferkette an sie auszulagern. Diese Länder haben oft eine junge Bevölkerung mit Unternehmergeist, die begierig darauf ist, ihre digitalen Hände schmutzig zu machen.

• Es ist falsch anzunehmen, dass Länder, die bereits über einen starken Dienstleistungsvorsprung verfügen, am meisten von den Entwicklungen der modernen Dienstleistungen nach COVID-2019 profitieren werden. Tatsächlich sind es die hochindustrialisierten Nationen, die die meisten Vorteile des modernen digitalen Handels schon genutzt haben. Länder, deren Volkswirtschaften die meiste Wertschöpfung und Beschäftigung in produzierende Industrien erwirtschaftet haben, erlebten ebenfalls ein Wachstum zugunsten moderner Dienstleistungen.

Das sollte eine gute Nachricht für die produzierenden Volkswirtschaften sein. Wenn zum Beispiel Industrie 4.0 und das Internet der Dinge richtig Fahrt aufnehmen, dürften die industriebasierten Volkswirtschaften am meisten von weiter ausgeweiteten Exporten von F&E, Ideen, Informationen und anderen zukunftsbezogenen digitalen Dienstleistungen profitieren.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Globalisierung laut dem European Center for International Political Economy (ECIPE) nicht im Niedergang begriffen ist; sie ändert sich einfach.

Ein kritischer Trend ist, dass der Welthandel seit mehr als einem Jahrzehnt begonnen hat, sich in eine neue Richtung zu verschieben. Der traditionelle Handel – der Warenhandel – wächst nicht mehr so ​​schnell. Die Faktoren, die das rasante Wachstum des Warenhandels in den 1990er und 2000er Jahren vorangetrieben haben, sind nicht mehr die Leitvektoren der Globalisierung. Jetzt sind es vielmehr Ideen, Daten und immaterielle Dienstleistungen – oft digital gehandelt – die die grenzüberschreitende globale Integration erweitern. Diese wachsen mit dem technologischen Wandel und den Innovationen der Digitalisierung.

Daher besteht immer noch ein enormes Potenzial für wirtschaftliche Gewinne durch die Ausweitung von Handel, Investitionen und anderen immateriellen Verbindungen über die Grenzen hinweg. Es wird Maßnahmen von Regierungen geben, die die neue Globalisierung kostspieliger (z.B. durch Steuern, Zölle etc.) machen. Obwohl der Warenhandel, die Investitionen und der Personenverkehr durch die COVID-19-Krise dramatisch zurückgegangen sind, zeichnet sich eine neue Art der Globalisierung ab.

Jedoch sind die zugrunde liegenden wirtschaftlichen Kräfte der Zusammenarbeit und Spezialisierung in diesen Sektoren sehr stark, so dass die generelle Tendenz der neuen Globalisierung nicht aufgehalten wird.

Globalisierung

Die Globalisierung durchläuft einen bemerkenswerten Wandel, indem sie immaterieller, nicht-physischer und digitaler wird. Volkswirtschaften werden nicht deglobalisieren – sie vertiefen die globale wirtschaftliche Integration auf diese im Artikel beschriebene neue Art und Weise.

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Ihr Prof. Dr. Markus Hesse und Suchi Shinde

Quellen

/1/ van der Marel, Erik, (06/2020): Globalization Isn’t in Decline: Its Changing, European Centre for International Political Economy, Policy Brief
/2/ n.n., (2016): Share of information industries in total employment
[[http://goingdigital.oecd.org/indicator/00], accessed 14.11.21
/3/ n.n., (2008): InfoWissWiki
[https://wiki.infowiss.net/Informationsindustrie], accessed 14.11.21

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